Real Talk mit dem VR-Experten Matthias Wolk, VRtual X

Wir sprechen mit Matthias Wolk, Experte für virtuelle Plattformen und digitale Formate. Seine Firma VRtual X steht für innovative Entwicklungen in den Bereichen Virtual- und Augmented Reality. Als einer der Pioniere hat sich der Hamburger auf die Entwicklung von immersiven Projekten spezialisiert.

red. Herr Wolk, beginnen wir mit drei möglichst prägnanten Definitionen bzw. Abgrenzungen für unsere Leser: Virtual Reality. Augmented Reality. Und was umfasst der Begriff der Immersion?

Wolk. Der Begriff der Immersion, also das „Eintauchen“ in die Welt, ist der Kern unserer Arbeit. Dabei taucht man in der Virtual-Reality komplett in eine virtuelle Welt ab, mit der Augmented-Reality hingegen erweitert man die reale Welt um digitale und virtuelle Inhalte. Für eine VR-Experience benötige ich eine Virtual-Reality-Brille, eine Augmented-Reality-Experience reicht ein Smartphone, ein Tablet oder eine spezielle AR-Brille, wie zum Beispiel die Microsoft Holo Lense. Extented Reality (XR) schließlich ist der Oberbegriff für immersive, technologie-basierte Erlebnisse, mit denen der Nutzer neue Formen der Realität erlebt.

red. Sie haben sich mit VRtual X auf virtuelle Messen und digitale Events spezialisiert. Berufung oder ist das der unberechenbaren Zeit geschuldet?

Wolk. Tatsächlich sind wir dazu ein bisschen wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Als zu Beginn der Pandemie viele Aufträge im Bereich der Virtual-Reality von jetzt auf gleich wegbrachen, haben wir nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern weitergemacht und die Ärmel hochgekrempelt. Wir haben uns die Frage gestellt: welche digitalen Produkte werden in einer Zeit, in der sich Menschen gar nicht mehr oder nur mit erheblichen Einschränkungen treffen können, benötigt. Zum Glück hatten wir unsere eigene Software-Solution Lea X bereits in der Schublade. Diese Software für virtuelle Messen und Events haben wir dann mit großem Erfolg in den Markt gebracht.

red. Welche Branchen profitieren aus Ihrer Erfahrung derzeit schon am meisten von den Möglichkeiten virtueller Realität und immersiver Projekte?

Wolk. Insbesondere im B2B-Bereich wird deutlich, dass die virtuellen Technologien und Inhalte längst kein Hype mehr, sondern bereits im Alltag angekommen sind. Virtual-Reality bietet sich z.B. bestens bei der Entwicklung, Visualisierung oder Wartung von Immobilien an. Oder wenn es um Lernen und Begreifen geht: als virtuelle Trainings, Unterweisungen oder Simulationen. Das kann den Bereich des Arbeitsschutzes beinhalten, aber auch beim Einarbeiten und Onboarding neuer Mitarbeiter*innen an Industrie-Maschinen erzielt die Virtual-Reality deutliche und sinnvolle Mehrwerte. In der maritimen Wirtschaft beispielsweise, im Engineering oder im Maschinenbau profitieren die Akteure schon jetzt durch Remote-Work, z.B. über Augmented-Reality.

red. Aus unserer Sicht gibt es Veranstaltungen, die unter reiner Virtualität leiden. Beispiele sind Netzwerk-Treffen oder Messen bei denen haptische Interaktion relevant ist. Welche Events laufen aus Ihrer Sicht gut oder sogar besser digital?

Wolk. Absolut richtig. Für einige Event-Formate sind virtuelle Umsetzungen nur begrenzt erfolgreich. So haben die vergangenen zwei Jahre gezeigt, dass große Messen mit mehreren tausend Teilnehmer*innen nicht optimal funktionieren. Diese Messen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit auch schon vorher in der realen Welt nicht wirklich funktioniert, nur da haben es die Menschen nicht gemerkt, weil es keine belastbaren Daten oder Auswertungen gab und das subjektive „Das war eine super Messe“-Gefühl überwog. Die Messbarkeit der virtuellen Formate ist Fluch und Segen zugleich. Eine Reihe von Veranstaltungen laufen dann in der digitalen Welt auch deutlich besser als in der realen: Fachkongresse, Podiums-Formate, Vertriebs- oder Produktveranstaltungen. Wir bekommen von unseren Kunden eine hohe Zufriedenheit widergespiegelt, weil die Unternehmen mit eigenen virtuellen Plattformen eine höhere Frequenz an Veranstaltungen umsetzen können und gleichzeitig passgenau und zielgerichtet ihre Partner und Kunden erreichen und virtuelle Formate deutlich nachhaltiger als reale sind.

red. Könnte man die da auf uns zukommende Business- und Kommunikations-Welt mit Kino und Netflix vergleichen? Der reine Film ist das Gleiche, aber das Event, das Erleben und die Wirkung sind ziemlich unterschiedlich?

Wolk. Dieser Vergleich ist interessant, hinkt aber ein wenig. Ein Kinofilm unterliegt anderen Dramaturgen, Spannungsbögen und Storylines als eine erfolgreiche Netflix-Serie. Die Film-Technologie dahinter ist die gleiche, die Inhalte aber sind speziell für den jeweiligen Ausspiel-Kanal produziert.

Die Wirkung virtueller Welten ist eine viel umfassendere als es die reale Welt bieten kann. Weil wir an Orte gehen können, die es beispielsweise nicht mehr gibt. Oder an Orte, die es auch nie geben wird. Spannend wird es, wenn wir die virtuellen Welten in reale Veranstaltungen integrieren und echte Hybride-Formate anbieten, die weit über einen „wir machen zusätzlich noch einen Live-Stream“-Ansatz hinausgehen.

red. Eine politische Frage: Eine Gesellschaft, die sich immer mehr in der Inszenierung tummelt, könnte den Bezug zur Realität verlieren. Sehen Sie in der stetig zunehmenden Virtualisierung auch nachhaltige Risiken für die Menschheit?

Wolk. Wo es große Chancen gibt, bestehen auch immer Risiken, ganz klar. Um diese zu minimieren, sollten wir auch künftig das Beste aus beiden Welten nutzen und uns, als Software- und Content-Produzenten, verantwortungsvoll die Fragen stellen: worin liegt der Mehrwert einer virtuellen Experience? Macht die Anwendung wirklich Sinn und sind die Chancen größer als die Risiken? Ein vernünftiger Mix aus realer und virtueller Welt sollte die Antwort sein.

red. Als real Group sind wir Experten für den Ausbau von Gewerbe-Immobilien. Haben Sie ein Musterbeispiel, wie unsere Branche von Ihren Leistungen profitieren kann?

Wolk. Im Real Estate-Segment kommt man mit einem Musterbeispiel nicht aus, dafür gibt zu viele verschiedene Best-Cases. So setzen wir die Virtual Reality bei der Planung von Gewerbe-Immobilien ein. Das startet bei der Planung des Objektes (Generative Design), 360°-Ansichten verschiedener Prototypen. So kann der Projektentwickler zusammen mit dem Kunden gemeinsam die Immobilie virtuell entwerfen und hindurchgehen, ohne dass auch nur ein Stein gemauert wurde. Logistik- und Produktionsabläufe lassen sich in der VR simulieren und optimieren, Lichtsituationen können durchgespielt und der Maschinenpark schon einmal eingerichtet werden. Die Optionen sind vielfältig und sinnvoll und erfordern eigentlich ein eigenes Interview.

red. Mit „Lea X“ haben Sie eine virtuelle Event-Plattform ins Leben gerufen, skizzieren Sie bitte kurz, was es damit auf sich hat.

Wolk. Mit Lea X bieten wir eine Software as a Service-Lösung (SaaS) für virtuelle Showrooms, virtuelle Unternehmens-Repräsentanzen (Digitale Zwillinge) oder virtuelle Events. Inzwischen wurden weit über 100 Projekte und Formate mit Lea X umgesetzt, national und international. Die Software überzeugt durch ihre einfache Bedienbarkeit, einer sehr hohen und anspruchsvollen grafischen Umsetzung und ihre Datensicherheit (DSGVO-konform). Mehr Infos findet man unter www.lea-x.com

red. „Safety X“ ist eine Form der Virtual Reality, die objektive Gefahren für Leib und Leben vermeiden kann. Können Sie eine Anwendung beschreiben, bei der man um VR sinnvoller Weise gar nicht herum kommt?

Wolk. Die „Safety X“-Anwendung ist eine VR-Lösung im Bereich Arbeitsschutz und Unterweisung. Ursprünglich bestand „Safety X“ aus einzelnen, individuellen Virtual-Reality Projekten, die wir für und zusammen mit unseren Kunden umgesetzt haben. Schnell haben wir gemerkt, dass für diese Art der VR-Anwendungen ein enormer Bedarf am Markt besteht. Auf Basis unserer Erfahrung und Expertise entwickeln wir aktuell eine eigene VR-Software unter der Marke „Enter XR“. Damit schaffen wir eine modulare und skalierbare Software-Solution, die von Unternehmen als SaaS-Lösung genutzt werden kann. Schulungen finden also künftig in der Virtual-Reality statt, auch Blended-Learning spielt dabei eine relevante Rolle. Die Vorteile von „Enter XR“ liegen auf der Hand: die VR-Unterweisungen können kostengünstiger bei einer gleichzeitig sehr hohen Qualität angeboten werden. Die Schulungen können ortsunabhängig, remote und 24/7 mit einem konstanten Lehr-Niveau genutzt werden. Darüber hinaus arbeiten wir hier auch mit künstlicher Intelligenz bei der Datenauswertung, um z.B. Trainingsfortschritte zu belegen, Abläufe zu optimieren oder um die Trainingseinheiten für Trainer und Trainee im Nachgang noch einmal zu analysieren.

Ein guter Case, bei dem man sozusagen um die VR gar nicht herumkommt, ist die Brandevakuierung. Hier können wir in der virtuellen Welt ein Gebäude so unter Feuer und Rauch setzen, dass die Trainees diese Gefahrensituation real erleben, ohne, dass es brennt. Fluchtwege können gelaufen und Aufgaben erfüllt werden, also Leistungskontrolle. Die Menschen machen in der virtuellen Welt echte Erfahrungen und sie begreifen. Das alles ist mit einer langweiligen PowerPoint-Präsentation nicht möglich.

red. Bitte erläutern Sie uns Ihre 360°-Produktionen. Was ist das und wer profitiert davon am meisten?

Wolk. Mit unseren 360° Foto- oder Video-Produktionen bilden wir die Welt so ab, wie man sie auch real vorfindet, quasi ungeschönt und ungeschminkt. Das hat den Vorteil einer sehr hohen Authentizität. Wir können diese 360°-Inhalte um weitere interaktive Inhalte ergänzen (Foto-Galerien, 2D-Videos, Video-Chat Tools etc.). Solche 360°-Produktionen finden ihren sinnvollen Einsatz z.B. bei Unternehmensrundgängen, Visualisierung von Prozessketten, Darstellung von Immobilien, Museen oder Ausstellungen, bis hin zu beeindruckenden 360°-Filmen von der Raumstation ISS.

Der Vorteil von 360°-Produktionen ist, dass sie vergleichsweise einfach und kostengünstig zu produzieren sind. Wobei eine ISS-360°-Produktion etwas teurer ist

red. Was hat es mit Ihrer Duft-Experience auf sich?

Wolk. Mit unserer Duft-Experience „Sense X“ gehen wir in Sachen Immersion noch einen Schritt weiter und integrieren eine weitere sensitive Komponente. Jeder von uns kennt das, wie man mit Gerüchen und Düften Erinnerung, also Erfahrung hervorrufen kann. Rieche ich zum Beispiel frisch gemähtes Gras, muss ich immer an meinem Vater im Garten denken, der am Samstag den Rasen gemäht hat. Mit dieser sehr besonderen Eigenschaft von Düften erweitern wir die virtuellen Experiences. In der Praxis sieht das so aus, dass wir unter der VR-Brille eine kleine, spezielle Duftmaske anbringen. Unsere Software-Programme steuern diese Duftnoten digital, sodass zum Beispiel die Duftintensität einer blühenden Rose stärker wird, wenn ich mich zur Blume in der VR hinbewege und wieder schwächer, wenn ich meine Nase entferne.

Mit „Sense X“ stehen wir noch ganz am Anfang, die Prototypen zeigen aber, dass wir damit einen weiteren immersiven Schritt für virtuelles Erleben gehen.

red. Gestatten Sie ein paar persönliche Fragen? 

Wolk. Sehr gerne, immer mal zu.

red. Was würden Sie als Ihre Leibspeise bezeichnen?

Wolk. Wenn ich wüsste, wie viele Spaghetti Pesto Teller ich in meinem Leben bereits gegessen habe, könnte ich auch mit Zahlen belegen, welches meine Lieblingsspeise ist. Wenn dann zum Nachtisch noch eine Créme Brülée mit einem perfekten Espresso serviert wird, ist die Welt in Ordnung.

red. Was ist für Sie das vollkommene Glück?

Wolk. Das vollkommene Glück, das ist meine Erfahrung nach 51 Jahren, ist immer nur temporär und das ist auch gut so. Für mich ein Moment der absoluten Zufriedenheit. Für diese Momente sorge ich ganz bewusst und nehme mir Zeit dafür. Meistens nach einem erfolgreichen Projekt oder einem erfolgreichen Tag, wenn ich dann – idealerweise gemeinsam mit der Familie am Meer – die Ruhe nach dem Sturm genießen kann.

red. Bitte empfehlen Sie uns einen sehr guten Film und sagen Sie uns, warum man diesen aus Ihrer Sicht gesehen haben sollte.

Wolk. Tatsächlich empfehle ich aktuell die 360°-Experience „Space Explorer – das ISS Erlebnis“. Eine beeindruckende und höchst immersive 360°-Dokumentation über das Leben auf der Raumstation des mehrfach preisgekrönten Produktionsstudios von Felix & Paul aus Montreal. Inzwischen kann man die zweite Episode nicht nur im Hamburger Planetarium sehen, sondern durch unsere Idee und Initiative auch auf der VR-Brille. Eine mehr als beeindruckende virtuelle Reise.

red. Zum Schluss: Haben Sie ein Lebensmotto und teilen Sie es mit uns?

Wolk. Da halte ich es wie meine Großmutter: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

red. Herr Wolk, herzlichen Danke für das Interview.

Wolk. Sehr gerne, jederzeit wieder. Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.

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